Kein barrierefreies Rathaus!

Kein barrierefreies Rathaus – Mehrheit der Binzer Gemeindevertreter dagegen

Die Gemeinde Binz möchte durch einen Umbau ihren Verwaltungssitz vergrößern und zugleich barrierefrei gestalten. Das stößt auf Widerstand.

Bekommt Binz ein barrierefreies Rathaus? Die Frage, ob die Gemeindeverwaltung Räume im Erdgeschoss des Gebäudes in der Jasmunder Straße beziehen soll, beschäftigte die Gemeindevertretung des Ostseebads zuletzt gleich mehrfach. In der vergangenen Woche hatte die CDU-Fraktion eine erneute Diskussion um die Erweiterung des Verwaltungsgebäudes beantragt. Das war aus Sicht der Christdemokraten notwendig geworden, nachdem in der vorangegangenen Sitzung die Beschlussvorlage zum barrierefreien Ausbau mehrheitlich abgelehnt worden war. Dies habe zu einer lautstarken Diskussion mit anschließender Unterbrechung der Sitzung geführt, so ein Beobachter.

CDU-Fraktionschef Ulf Dohrmann begründete den erneuten Antrag mit neuen Erkenntnissen zur Mietsituation in der Immobilie. Im Erdgeschoss hatte sich zuletzt ein Restaurant befunden. Über die Umstände, unter denen die Räume frei wurden, kursierten unterschiedliche Versionen. „Die Betreiberin hat von sich aus gekündigt“, stellte daher Heike Schierhorn klar. Damit widersprach die Chefin der Wohnungsverwaltung Binz der Darstellung von Siegfried Klein (AfD), wonach „der Grieche rausgesetzt“ worden sei.

Für die Flächen im Parterre der gemeindeeigenen Immobilie entwickelte die Verwaltung Pläne für eine barrierefreie und moderne Erweiterung. Das Vorhaben fand die Unterstützung von CDU, SPD und Linken, die allerdings die Minderheit in der Gemeindevertretung stellen. „Ein barrierefreier Zugang, die Weiterentwicklung unserer Verwaltung zu einem modernen Dienstleister für zwei außergewöhnliche Ortsteile sowie ein attraktives Arbeitsplatzangebot für Fach- und Nachwuchskräfte sollte unser tiefstes Bestreben sein“, führte Dohrmann aus. Das Raumkonzept zur Nutzung des Erdgeschosses im Verwaltungsgebäude eröffne die Chance, Effizienz, Bürgernähe und Servicebereitschaft der Verwaltung weiterzuentwickeln. „Unsere Bürgerinnen und Bürger, wie auch die Vielzahl neuer Einwohner von Prora, erwarten als Kunden der Gemeindeverwaltung moderne Behördenräume, die gut erreichbar, barrierefrei, hell, freundlich und übersichtlich gestaltet sind“, so Dohrmann. Während sowohl die Seebrücke als auch die Strandabgänge bereits barrierefrei gestaltet seien „beginnt unsere Verwaltung erst im ersten Obergeschoss“, so Dohrmann.

Tatsächlich betreten Besucher ein Foyer und müssen die jeweiligen Ämter über Treppe oder Fahrstuhl aufsuchen. Dass das nicht in jedem Fall möglich ist, hatte Jens Amling demonstriert. Der zählt zum Vorstand der Bewohnervertretung des örtlichen DRK-Pflegeheims und unternahm den vergeblichen Versuch, mit seinem Rollstuhl den Fahrstuhl der Gemeindeverwaltung zu benutzen, blieb dabei jedoch in der Tür stecken. Mit den bestehenden Probleme ließe sich umgehen, ohne dass Kosten entstünden, hielt Manuela Tomschin diesen Darstellungen entgegen. Die Medizinerin begründete die Ablehnung des Antrags für die aus zwei Wählergruppen, „Aus der Mitte“ und „Bürger für Binz“, und dem AfD-Vertreter bestehende Mehrheit der Gemeindevertretung. So ließe sich ein barrierefreier Bereich im Erdgeschoss ausbauen. Mitarbeiter der Verwaltung könnten im Bedarfsfall die Treppe hinabsteigen, um Kunden dort zu bedienen. „Ein Pflegerollstuhlfahrer kann auch zuhause besucht werden und Vieles geht heute über das Internet“, so Tomschin.

Dem widersprach Gemeindevertreterin Helga Holtz (CDU) heftig. „Die demographische Entwicklung geht an unserem Ort nicht vorbei“, meinte Holtz, die auch im Seniorenbeirat der Gemeinde aktiv ist. Das Argument, Senioren über das Internet betreuen zu wollen, „ist absolut lächerlich“. Gerade diese Bevölkerungsgruppe stünden neuen Technologien nicht nahe.

„Wir würden gern die von Bürgern am meisten frequentierten Stellen im Erdgeschoss unterbringen.“ Romy Guruz – Bauamtsleiterin

„Wir würden künftig gern die von Bürgern am meisten frequentierten Stellen wie Einwohnermelde-, Standes- und Gewerbeamt sowie die Bußgeldstelle im Erdgeschoss unterbringen“, erläutert Bauamtsleiterin Romy Guruz das Vorhaben. Seit dem Jahr 2016 habe es mehr als 40 Termine für die Planung des Projekts gegeben, „dessen Umsetzung für 2023 geplant war“, ergänzt Bürgermeister Karsten Schneider. Auch habe der aus Bürgermeister, Gemeindevertreterin Grit Drahota (WG „Aus der Mitte“) sowie den sachkundigen Einwohnern Michael Rohde, Gisela Lemke, Jarno Gomoll und Helmut Voltz bestehende Aufsichtsrat den Plänen zuvor einstimmig zugestimmt. Gründe für den geplanten Umbau seien neben der Barrierefreiheit auch die notwendig gewordene Erweiterung der Verwaltung. Der bisherige Personalschlüssel berücksichtige nicht, dass das Ostseebad zwar nur 6000 Einwohner hat, aber eine Infrastruktur für 30 000 Menschen vorhalten muss.

Zudem sei die Verwaltung der Gemeinde noch immer auf demselben personellen Stand wie vor der Entwicklung von Prora. Demgegenüber wäre seit in dem Binzer Ortsteil immer mehr Menschen leben, das Personal der Kurverwaltung um die Hälfte erweitert worden. Teilweise könnte kaum noch gesetzlichen Anforderungen zum Raumbedarf nachgekommen werden. Um die Bedarfe zu prüfen wurde eigens eine Untersuchung zur Organisationsstruktur in Auftrag gegeben. Obwohl noch keine belastbaren Zahlen zu den Kosten eines Umbaus existieren, könnte die Summe etwa 200 000 Euro betragen. Geld, das allerdings nicht den Haushalt der Gemeinde belasten würde, wie Gemeindevertreter Andreas Hennig (CDU) betonte.

Die Immobilie befindet sich im Eigentum der Wohnungsverwaltung GmbH, die den Umbau trage, bestätigte Heike Schierhorn. Aus Sicht der Verwaltung ist der jetzige Zeitpunkt günstig, weil Zinsen niedrig sind und die heimische Wirtschaft gerade in Corona-Zeiten profitieren würde.

Quelle: Ostsee-Zeitung

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