Pollerstreit eskaliert!

Der Konflikt um die Zuwegung zum Jagdschloss Granitz ist entschieden. Die Gemeinde musste der VVR die Möglichkeit einräumen, die Linie 28 zu bedienen.

Eigentlich hatte die Verkehrsgesellschaft des Landkreises Vorpommern-Rügen (VVR) schon im Oktober beginnen wollen, die neue Linie 28 in Binz zu bedienen. Dann verzögerte sich der Betrieb, weil er in der Gemeindevertretung umstritten war und nun kam auch noch Corona hinzu. „Weil Museen und Gastronomien nicht öffnen dürfen, bleiben auch das Jagdschloss und die gastronomischen Einrichtungen der Granitz geschlossen“, sagt VVRGeschäftsführer Ulrich Sehl. Daher habe das Landesamt für Straßenbau und Verkehr, das für die Genehmigung von Linienverkehren zuständig ist, ein Einsehen gehabt und die VVR temporär von der Pflicht zum Betrieb der Linie befreit. Gleichwohl begann in dieser Woche die Erprobung eines vorerst gemieteten Elektro-Busses. Busfahrer Rico Krüger steuerte das neue Gefährt nach Sassnitz, um dort weitere Kollegen einzuweisen. „Zero emission & silent“ steht an der Seite des 8,50 Meter langen und elf Tonnen schweren Gefährts. Für das Gewicht sind vor allem die auf dem Dach deponierten Batterien verantwortlich. Der Bus wäre in verschiedenen Größen zu haben und dieses Modell könne 21 Personen plus einem Rollstuhl befördern, sagt Roland Lenz vom Bergener Betriebshof. Die Technik stammt von BMW, die Karosserie vom türkischen Unternehmen Karsan und zusammengebaut hat den Bus die Augsburger Firma Quantron.

Poller versperrte die Fahrbahn

Als noch nicht ganz optimal könne sich die Reichweite von maximal 300 Kilometern erweisen, meint Lenz. „In diesem Zusammenhang müssen wir noch prüfen, welche Anlagen wir nutzen können, um den Bus aufzuladen.“ Immerhin hat der E-Bus zu diesem Zweck drei verschiedene Adapter an Bord. Auf der Haben-Seite stünden geringe Aufwendungen für Wartung und Reparaturen. „Was rot ist, darf man nicht anfassen, das ist Hochvolt-Technologie“, so Lenz.

„Die Gemeindevertretung hatte mich angewiesen, den Chip nicht rauszugeben“

Dem Einsatz des Busses und der Genehmigung der Linie waren kontroverse Diskussionen in der Binzer Gemeindevertretung vorausgegangen. Mit den Stimmen der Mehrheit hatte das Gremium versucht, das Nahverkehrsunternehmen zugunsten eines privaten Anbieters vom Betrieb der Linie fernzuhalten. Zuletzt war der Streit um den Poller entbrannt, der den Weg zur Granitz für den öffentlichen Verkehr sperrt. Um diesen im Boden zu versenken, bedarf es eines Chips, dessen Herausgabe die Gemeinde bis zuletzt verweigert hatte. „Die Gemeindevertretung hatte mich angewiesen, den Chip nicht rauszugeben“, eröffnete Bürgermeister Karsten Schneider den Gemeindevertretern auf der vergangenen Sitzung des Gremiums. „Dem bin ich bis zu dem Punkt gefolgt, an dem die Kommunalaufsicht uns anwies, ihn herauszugeben. Das habe ich heute getan.“

Mehrheit der Gemeindevertretung hatte sich stets hinter Roger Pieniak, gestellt, der selbst Mitglied der WG „Bürger für Binz“ ist!

Das Schreiben der Wächter über Recht und Ordnung war den Mitgliedern bereits bekannt. „Der Brief hat uns sehr erschüttert“, sagte Dr. Manuela Tomschin (WG „Aus der Mitte“), die die bisherige Regelung verteidigte. Der Betreiber der Kleinwegebahn übernehme auch den Winterdienst, ein Begegnungsverkehr sei in der Granitz nicht möglich und bei der Straße handele es sich um einen Fuß- und Radweg. Zudem könne die VVR schon jetzt ihre Aufgaben im Schülerverkehr kaum bewältigen. „Die Schüler kommen nicht nach Hause, weil keine Fahrer da sind“, so Tomschin. „Die Gemeindevertretung hat 30 Jahre lang nicht gewollt, dass da ein Bus reinfährt“, ergänzte Dietrich Tomschin (WG „Aus der Mitte“). „Das ist Willkür“, hielt er den drei anwesenden Vertretern der Kommunalaufsicht entgegen. AfD-Vertreter Siegfried Klein kündigte Widerstand an. Die VVR würden mit Steuergeldern unterstützt und wollten nun „einen lokalen Unternehmer in die Knie zwingen“. Die aus AfD sowie den beiden Wählergemeinschaften „Aus der Mitte“ und „Bürger für Binz“ bestehende Mehrheit der Gemeindevertretung hatte sich stets hinter Roger Pieniak, den Betreiber der Kleinwegebahn, gestellt, der selbst als Mitglied der WG „Bürger für Binz“ geführt wird. Die Argumente ließ Tilo Koch nicht gelten. „Die Gemeindevertretung war nicht zuständig und die Entscheidung verstieß daher gegen geltendes Recht“, klärte der Jurist der Kommunalaufsicht die Gemeindevertreter auf. Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr habe die Genehmigung erteilt und die VVR daher das Recht und die Pflicht, die Strecke zu bedienen. Mit der Widmung der Straße sei kein Verkehr ausgeschlossen worden und Pendelverkehr zugelassen. „Die Rechtslage ist so, dass die VVR dort fahren darf und muss.“

Mobilitätskonzept der Gemeinde gescheitert

In dem Konflikt hatte sich zuletzt auch der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) geäußert. Die neue VVR-Buslinie könne dieChance für eine nachhaltige Tourismusmobilität eröffnen, so Dr. Wilfried Kramer von der Regionalgruppe Stralsund-Rügen. „Wir begrüßen die Aktivitäten der VVR, mit einer neuen Buslinie das Jagdschloss Granitz und weitere Einrichtungen an das öffentliche Nahverkehrsnetz anzuschließen. Bislang ist dieser touristische Hotspot nur mit einem längeren Fußweg oder durch den teureren Jagdschlossexpress mit zehn Euro für die Hin- und Rückfahrt zu erreichen. Eine Berücksichtigung von sozialen Aspekten bei der Tarifgestaltung, beispielsweise für Schwerbehinderte, erfolgt dabei nicht und die Anforderungen an einen barrierefreien Nahverkehrwerden auch nur bedingt erfüllt“, so Kramer.

Trotz neuer Rekordzahlen bei den Übernachtungen auf Rügen seien die Besucherzahlen im Jagdschloss Granitz und bei den angrenzenden Einrichtungen deutlich rückläufig. „Während die meisten Parkplätze zuletzt häufig überfüllt waren und neue Rekordstaus auf der Bundesstraße 196 und den weiterführenden Landesstraßen seit Juli 2020 auf der Tagesordnung stehen, muss das bisherige Mobilitätskonzept der Gemeinde Binz zum Jagdschloss Granitz als gescheitert gelten. Die kilometerlangen Staus und die weiter ansteigende Pkw- Nutzung haben die CO2-Bilanz der Tourismusmobilität weiter verschlechtert und das bei weiterhin hohen Unfallzahlen auf Rügens Straßen.“ Kramer erwartet von der VVR nun, ihren neuen Fahrplan gut mit den Linien 22 und 20 abzustimmen, „um insbesondere aus den Ostseebädern Göhren, Baabe, Sellin und Thiessow sowie aus Richtung Sassnitz eine nachhaltige und preisgünstige Mobilitätskette zu ermöglichen“.

Dabei könne dann möglicherweise jeder Verkehrsträger seine Rolle einnehmen, glaubt Ulrich Sehl. „Sowohl verkehrlich als auch vom Kundenpotenzial her ist für beide Betriebe Platz auf der Strecke und ich verstehe nicht, warum die verschiedenen Positionen nicht miteinander in den Dialog treten können sollten“.

Quelle: Ostsee-Zeitung

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